Schilfgürtel

180 km² Schilfwildnis umgeben den Neusiedler See. Was auf den ersten Blick einen recht monotonen Eindruck vermittelt entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als reich strukturierter Lebensraum.

Charakteristika

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Der an manchen Stellen bis zu 5 km breite Schilfgürtel des Neusiedler Sees ist mit seiner Gesamtfläche von rund 180 km² nach dem Donaudelta der zweitgrößte zusammenhängende Schilfbestand Europas.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es nur im Südosten und im Hanság größere Schilfflächen. Erst eine Reihe von Niedrigwasserständen nach der Regulierung durch den Einserkanal, aber auch der Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft und den umliegenden Ortschaften haben zu einem vermehrten Wachstum des Schilfrohrs geführt.

Überwiegend aus einer Pflanzenart bestehend, ist der Schilfgürtel dennoch sehr abwechslungsreich: Kanäle und freie Wasserflächen sorgen für Schilfbestände verschiedenen Alters und daher auch unterschiedlicher Struktur.

Der Schilfgürtel dient zudem als natürliche Kläranlage. Vor Wind geschützt, können hier in den See eingetragene Nähr- und Schadstoffe sedimentieren und organische Abbauprozesse stattfinden. Die dabei entstehenden Huminstoffe färben das Wasser braun. Durch fehlenden Windeinfluss ist allerdings die Sichttiefe im Schilfgürtel deutlich höher als im Freiwasserbereich des Sees.

Lebensraum

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Der Schilfgürtel bietet Lebensraum für eine Unzahl an wirbellosen Tieren. Insekten und deren Larven – in der Luft, auf oder auch in den Pflanzen, an der Wasseroberfläche und unter Wasser. Zudem haben im Schilfgürtel auch eine Fülle von Kleinkrebsen, Wasserschnecken und Spinnen ihr Zuhause.

Diese Tiere und die Vegetation sind wiederum Nahrungsgrundlage für eine Vielzahl anderer Tiere. So besiedeln der Europäische Laubfrosch, die Rotbauchunke und andere Amphibienarten den Schilfgürtel ebenso wie etwa die Ringelnatter.

Auch den meisten Fischarten des Neusiedler Sees dient der Schilfgürtel nicht bloß als Kinderstube. Hecht, Wels, Kaulbarsch und viele Karpfenartige verbringen hier praktisch ihr gesamtes Leben.

Versteckt im Schilfdickicht finden Zwerg-, Sumpf- und Wasserspitzmaus und – als eine Art Eiszeitrelikt – die Nordische Wühlmaus ideale Lebensbedingungen. Landseitige Schilfbestände bieten sogar Deckung für große Säugetiere wie etwa dem Reh oder dem Rothirsch.

Am bedeutsamsten ist der Schilfgürtel zweifellos für die Vogelwelt. Die Kolonien der großen Schreitvögel – vom Silber-, Grau-, Purpur-, Nacht- und Seidenreiher bis zum Löffler – liegen überwiegend in dieser Naturzone des Nationalparks.

Auch eine Fülle von Singvögeln (Drossel-, Teich-, Schilfrohrsänger, Mariskensänger, Rohrschwirl, Rohrammer, Bartmeise, Blaukehlchen, etc.) besiedeln den Schilfgürtel ebenso wie verschiedene Rallen (Blässhuhn, Wasserralle, Teichhuhn, Kleines Sumpfhuhn oder Tüpfelsumpfhuhn). Von internationaler Bedeutung sind dabei die Bestände von Vogelarten wie Mariskensänger, Kleinem Sumpfhuhn und Bartmeise.

Für viele Entenarten spielt der Schilfgürtel als Brutplatz eine Rolle. So findet sich etwa die europaweit gefährdete Moorente hier noch in einer bedeutenden Populationsgröße.

Mit etwa 400 Brutpaaren befindet sich im Schilfgürtel der größte Brutbestand von Graugänsen in Österreich und beherbergt zudem den in Mitteleuropa größten Bestand an brütenden Rohrweihen. Über die Bedeutung als Brutplatz hinaus spielt der Schilfgürtel auch eine wichtige Rolle als Rast- und Nahrungsplatz für durchziehende und überwinternde Vögel.

Neben den erwähnten, typischen Schilfvögeln nutzen auch eher als Waldvögel bekannte Arten wie Blau- und Kohlmeise, Rotkehlchen oder Zilpzalp das reichhaltige Nahrungsangebot des Lebensraumes. Rauch-, Mehl- und Uferschwalbe jagen im Spätsommer gerne über dem Schilfdickicht. Und an den Kanälen des Schilfgürtels kann man im Sommer mit etwas Glück und Geduld auch Eisvögel beobachten.